(Dr. Jessika Nowak)

Forschungsprojekt Dr. Jessika Nowak

König-Sein im spät- und nachkarolingischen Europa. Das Königreich Burgund (888-1032)

Das 888 in Saint-Maurice d’Agaune von den Rudolfingern begründete Königreich Burgund, das über vier Generationen Bestand hatte und sich zeitweilig, zumindest nominell, bis an das Mittelmeer erstreckte, unterschied sich in vielerlei Hinsicht von den anderen postkarolingischen Reichen. Schon Zeitgenossen aus den benachbarten Regna wurden dieser Differenz gewahr, verstanden sie aber nicht. So wies Thietmar von Merseburg darauf hin, dass es keinen dem Rudolfinger vergleichbaren König gebe, denn dieser habe allein Titel und Krone, vergebe Bistümer an die von den Großen Gewünschten, verfüge über nur wenig zum eigenen Gebrauch und lebe vom Unterhalt der Kirche. Ja, so heißt es gar bei Thietmar, nur deshalb herrsche ein solcher König über die Burgunder, damit die Bösen umso ungestörter wüten könnten und kein anderer König ein neues Gesetz (nova lex) schaffe, um die eingewurzelten consuetudines zu brechen. Thietmars Aussage ist freilich mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen, denn seine Vorstellung legitimer Königsherrschaft entspringt dem ostfränkisch-deutschen Reich um das Jahr Tausend und damit einem Gebilde, das hinsichtlich seiner materiellen wie immateriellen Ressourcen über ganz andere Voraussetzungen verfügte als das Königreich Burgund und damit auch andere Erfolgskriterien für ein erfolgreiches Königshandeln zuließ. Sprechen wir vom Königreich Burgund, so sprechen wir von einem sich neu formierenden Herrschaftsgefüge, das sich zunächst auf die Gegend um den Genfer See beschränkte, durch die Verschmelzung mit dem Königreich Provence größer, aber auch heterogener wurde und unterschiedliche Traditionen in sich vereinte oder genauer: in sich vereinen musste; ein Herrschaftsgefüge, das in einem vergleichsweise noch überschaubaren geographischen Raum in unterschiedlichen Graden vom Königtum durchdrungen wurde. Es in den Blick zu nehmen und nach politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen sowie insbesondere nach Normen und Normenwandel zu fragen, erscheint vielversprechend.

Bisherige Publikationen

Im Schatten der burgundischen Rudolfinger. Leiheverhältnisse und Klientelbildung um die Abtei Saint-Maurice im Wallis, in: Giuseppe Albertoni/Jürgen Dendorfer (Hg.), Das Lehnswesen im Alpenraum, Innsbruck [u. a.] 2014, S. 93-107.

Imperial Aspirations in Provence and Burgundy, in: Christian Scholl/Torben R. Gebhardt/Jan Clauß (Hg.), Transcultural Approaches to the Concept of Imperial Rule in the Middle Ages. Frankfurt am Main 2017, S. 139-156.

[zusammen mit Jens Schneider (Hg.),] La Bourgogne au premier Moyen Âge (VIe-Xe s.) : approches spatiales et institutionnelles, in: BUCEMA (Bulletin du centre d’études médiévales d’Auxerre) 21.2/22.1 (2017/2018) (https://journals.openedition.org/cem/14724)].

[zusammen mit Jan Rüdiger (Hg.),] Zwischen Basel und Marseille: das Burgund der Rudolfinger (9.-11. Jahrhundert) / De Bâle à Marseille: l’espace bourguignon à l’époque rodolphienne (IXe-XIe s.) (Itinera 46), Basel 2019.

[zusammen mit Jan Rüdiger,] Das Königreich Burgund, in: Marc Fehlmann/Michael Matzke/Sabine Söll-Tauchert (Hg.), Gold und Ruhm. Kunst und Macht unter Kaiser Heinrich II. [Katalog zur Ausstellung „Gold und Ruhm: Geschenke für die Ewigkeit“ - eine Ausstellung des Historischen Museums Basel im Kunstmuseum Basel vom 11.10.2019-19.01.2020], München 2019, S. 56-59.

Das Erzbistum Vienne zwischen Sobo und Theobaldus (949-957), in: Rolf Große/Gerhard Lubich (Hg.), Diocèses en intérim. Le temps de la vacance épiscopale (France et Allemagne, Xe-XIIIe siècle)/Bistümer im Übergang. Vom Ende einer Bischofsherrschaft zur Nachfolge (Frankreich und Deutschland, 10.-13. Jahrhundert) [Actes du colloque de Paris, organisé les 5 et 6 décembre 2016] (= Revue belge de philologie et d’histoire 97), Brüssel 2019, S. 287-303.

[zusammen mit Jens Schneider/Anne Wagner (Hg.),] Ein Raum im Umbruch? Herrschaftsstrategien in Besançon im Hochmittelalter, Wien/Köln/Weimar 2020.

Prekäre Macht – changierender Raum: Überlegungen zum Königreich Burgund (888-1032), in: Caspar Ehlers/Holger Grewe (Hg.), "Rechtsräume". Historische und archäologische Annäherungen, Frankfurt am Main 2020 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 323), S. 21-36.

[zusammen mit Tristan Martine (Hg.),] D’un regnum à l’autre. La Lotharingie, un espace de l’entre-deux ? / Von regnum zum imperium: Lotharingien als Zwischenreich?, Nancy 2021.

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