Neues DFG-Projekt in der Wissenschafts- und Technikgeschichte
Neues DFG-Projekt in der Wissenschafts- und Technikgeschichte
"Sie sprechen zwei verschiedene Sprachen" wird oft gesagt, wenn zwei Menschen miteinander kommunizieren, ohne sich wirklich unterhalten zu können, weil eine Reihe von Missverständnissen in der Kommunikation auftritt. Natürlich kommt es nicht nur dann zu Missverständnissen, wenn zwei Sprecher verschiedener Sprachen aufeinandertreffen, aber das Risiko, sich gar nicht oder falsch zu verstehen, ist in solchen Fällen natürlich erheblich größer.
Zum Thema "(Miss-)Verstehen. (Fra)intendere" veranstalteten die Università Cattolica del Sacro Cuore Milano-Brescia und die Bergische Universität Wuppertal am 7. und 8. September eine internationale Konferenz in den Räumlichkeiten der Universität zu Brescia, die vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) im Rahmen der Reihe "Hochschuldialog mit Süd-Europa" finanziert wurde. Der DAAD fördert mit solchen Ausschreibungen die Zusammenarbeit zwischen deutschen und italienischen Hochschulen. Das Projekt reiht sich in die zahlreichen gemeinsamen Initiativen ein, die die beiden Fachbereiche in den letzten Jahren durchgeführt haben, darunter die Organisation von Konferenzen, Doktorandenseminaren, Doktorandenkooperationen und Erasmus-Austauschen.
Der Tagung zu (Fra)-intendimenti ging im Sommersemester ein Seminar an der Bergischen Universität Wuppertal voraus, an dem im Juni auch Prof. Dr. Maria Pia Alberzoni, Prof. Dr. Nicolangelo D'Acunto und Dr. Simone Lombardo teilnahmen, die in Wuppertal wichtige Vorträge mit Fallstudien zum Thema (Fra)-intendimenti im Mittelalter hielten. Höhepunkt der gemeinsamen Veranstaltungen war die Konferenz am 7. und 8. September in Brescia, an der die Organisator*innen und Förder*innen der Initiative, Prof. Dr. Jochen Johrendt (Wuppertal), Dr. Jessika Nowak (Wuppertal), Prof. Dr. Maria Pia Alberzoni (Milano) und Prof. Dr. Nicolangelo D'Acunto (Milano), sowie mehrere italienische und deutsche Doktorand*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen beider Universitäten teilnahmen und die in Kürze veröffentlicht werden soll. Dank der erhaltenen Mittel konnten auch mehrere Student*innen der Bergischen Universität Wuppertal an der internationalen Konferenz teilwohnen.
Das Mittelalter in seiner longue durée ist ein Zeitalter voller Missverständnisse, sei es in Form von Problemen und Kontroversen, die unter bestimmten Umständen entstanden sind oder als Gegenstand historiographischer Debatten. Die Referent*innen näherten sich diesem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln: Zum einen wurden wichtige Fälle von Missverständnissen zu Zeiten des morgenländischen Schismas angesprochen, zum anderen Kontroversen, die zwischen griechischen und lateinischen Gemeinschaften am selben Ort entstanden sind. Der Dialog zwischen dem Papsttum und verschiedenen Akteuren der Christenheit (dem Bischof von Piacenza, den Domkapiteln oder später der Herrschaft von Ravenna), die Auslegung bestimmter Begriffe in der Geschichte des Papsttums, wie Simonie, oder schließlich die Kontroversen, die innerhalb des Franziskanerordens über die Armut entstanden, sind nur einige der Beispiele, die diskutiert wurden. Der Vortrag der Dekanin der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften, Prof. Dr. Ursula Kocher, verdeutlichte und beleuchtete die Rolle der Fehlinterpretation in der Linguistik anhand eines Beispiels aus der Literatur von Boccaccio. Besonders erhellend war im Verlauf des Vortrags zu begreifen, wie die Fehlinterpretation auch als interpretatives Moment für bestimmte Themen, die bereits Gegenstand umfangreicher historiographischer Debatten sind, eingesetzt werden kann: der Feudalismus, der Kampf um die Investitur, die Figur des Priesterkönigs Johannes und der Mongolenführer Timurlenk.