Neues DFG-Projekt in der Wissenschafts- und Technikgeschichte
Neues DFG-Projekt in der Wissenschafts- und Technikgeschichte
PINIPE – Papal Intelligence Networking in Premodern Europe/
Geheime päpstliche Nachrichtennetze im vormodernen Europa/
Papinska obavještajna mreža u predmodernoj Europi
Projektverantwortliche: Dr. Jessika Nowak/Prof. Dr. Jochen Johrendt
Projektverantwortliche Ausland: Prof. Dr. Jadranka Neralić (Zagreb)
Laufzeit: 1.1.2022-31.12.2022
Über Fake News, mysteriöse Quellen und geheime bzw. schwer kontrollierbare Informationsströme wird nicht nur im digitalen Zeitalter rege diskutiert. Geheimnisse und geheime Nachrichten haben die Menschen schon immer in den Bann geschlagen. Auch die Welt des Papsttums – eine der ältesten europäischen Institutionen überhaupt und eine Grenzen übergreifend agierende noch dazu – übt seit jeher eine große Faszination aus. In der Vormoderne war die Kurie der Kommunikationsknotenpunkt schlechthin; viele Menschen aus ganz Europa – und mit ihnen viele Nachrichten und geheime Botschaften – strömten hier ein und aus. Bei der Analyse der geheimen päpstlichen Nachrichtennetze gilt natürlich zunächst großes Interesse den Akteuren. Infolge der transnationalen Ausrichtung des Papsttums boten die kurialen Netzwerke dem päpstlichen Personal, den offiziellen und geheimen Agenten wie deren Partnern, einzigartige Bewegungsmöglichkeiten im europäischen und gerade auch im adriatischen Raum. Im Gegensatz zu vielen anderen Akteuren konnten sich mit einem Schutzbrief ausgestattete Legaten, Nuntien, (Erz-)Bischöfe, Missionare, Diözesankleriker oder Mönche fast überall leicht und frei bewegen und somit den römischen kurialen Lebensstil, das politische Programm und die geistlichen Ideen überallhin tragen – zugleich konnten sie aber auch Informationen und Nachrichten im wortwörtlichen Sinne „auf-“ und „mitnehmen“. Neben der personalen Komponente, sprich neben den Fragen nach den mehr oder minder geheimen Informanten, nach den formellen wie informellen „Einholern“ bzw. Überbringern der Nachrichten und nach denjenigen, die Informationen unerlaubt zu stehlen bzw. abzuzweigen versuchten, sollen aber auch die verschiedenen Quellenzeugnisse und die Strategien der Informationsbeschaffung und -übermittlung sowie die Informationswege näher unter die Lupe genommen werden: das schließt sowohl die Frage nach den Techniken ein, mit denen Informationen gesammelt, geordnet und übermittelt wurden, als auch jene nach Kontrollmöglichkeiten, besonderen Schutzvorkehrungen bzw. anders gewendet: nach Einbruchstellen für Manipulationen. Ganz zentral ist dabei auch die Frage nach den „Geheim- und Erfolgsrezepten“ für das Herstellen, Aufrechterhalten und Gewährleisten von Vertrauen – Vertrauen in die mehr oder minder im Verborgenen operierenden Akteure, in die mehr oder minder geheimen Dokumente sowie in die mehr und minder gebräuchlichen Kommunikationswege.
Das Kooperationsprojekt, das einen einwöchigen Gastaufenthalt dreier kroatischer Wissenschaftler*innen und dreier kroatischer Studierender in Wuppertal Ende Juni 2022 vorsieht, soll einen wesentlichen Beitrag zur Diplomatiegeschichte leisten, die sich gerade in den letzten Jahren hoher Popularität erfreut – es soll neue Einblicke in die offiziellen wie die inoffiziellen Netze gewähren, derer sich die päpstliche Diplomatie in der Vormoderne bediente, Aufschlüsse über die Beschaffung wie die Beschaffenheit geheimer Informationen liefern und neue Erkenntnisse über Kommunikationswege und -weisen offenbaren.