Startseite Geschichte

Tagung "Liberalismus-Forschung nach 25 Jahren"

28.08.2014|15:43 Uhr

Grothe

27./28. Juni, Theodor-Heuss-Akademie

Hat die Liberalismus-Forschung noch eine Zukunft? Die rund fünfzig Teilnehmer/-innen der Tagung des Archivs des Liberalismus am 27. und 28. Juni in der Theodor-Heuss-Akademie beantworteten diese Frage mit einem eindeutigen "Ja". Anlass der Konferenz war das 25jährige Jubiläum des Erscheinens des "Jahrbuchs zur Liberalismus-Forschung". Da nur ein Jahr zuvor (1988) das Grundlagenwerk des Tübinger Historikers Dieter Langewiesche über "Liberalismus in Deutschland" erschienen war, gab es gleich einen doppelten Anlass, um über eine Zwischenbilanz und die Perspektiven der Liberalismus-Forschung nachzudenken und zu diskutieren.

Zum Auftakt der Konferenz stellten die beiden Mitarbeiter des Archivs, Wolther von Kieseritzky und Ewald Grothe, zehn Thesen zur künftigen historischen Liberalismus-Forschung vor. Hierin wurde u.a. die bisherige Forschung kritisiert, die sich viel zu lange an einem Aufstiegs- und Niedergangsmodell orientiert habe. Von Hans Rosenberg bis Lothar Gall sei deshalb ein methodisch fragwürdiger Determinismus der Liberalismus-Forschung eigentümlich gewesen. Kieseritzky und Grothe plädierten nachdrücklich für mehr methodische wie inhaltliche Offenheit. Liberalismus-Forschung sei vor allem, die Geschichte einer Idee aufzuzeigen, und damit mehr, als nur die Entwicklungsgeschichte liberaler Parteien nachzuzeichnen.

Jürgen Frölich, Referent im Archiv, zog anschließend die Bilanz aus 25 Bänden des Jahrbuchs, das er 1989 mitgegründet hatte. Trotz der in einem Vierteljahrhundert unvermeidlichen Wechsel bei Herausgebern, Organisation und inhaltlichen Strukturen habe sich das Jahrbuch im Kreis der historischen Fachzeitschriften etabliert.

htt/Fahrmeier, v.Kieseritzky

In der ersten Nachmittagssektion, moderiert von Wolther von Kieseritzky, wurden verschiedene Felder heutiger und früherer Liberalismus-Forschung angesprochen. So berichtete Andreas Fahrmeir (Frankfurt a. M.) über das Thema "Liberalismus und Partizipation", dem für das 19. Jahrhundert zentrale Bedeutung zukommt. Eine Bilanz der in den 1980er und 90er Jahren sehr aktiven Bürgertums-Forschung, die in den Sonderforschungsbereichen an den Universitäten Frankfurt und Bielefeld betrieben wurde, legte Frank Möller (Kiel/Greifswald) vor.

Den Nachmittag beschloss der Werkstattbericht von Thomas Widera (Dresden) über das vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung geleitete Projekt zur Liberal-demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) in der DDR zwischen 1961 und 1989. Sämtliche Akten dieser Blockpartei lagern seit 1991 im Gummersbacher Archiv des Liberalismus. Widera betonte, dass man die LDPD nur in marxistischer Diktion als "liberal" ansehen dürfe, weil sie ganz in Abhängigkeit von der SED und dem Ministerium für Staatssicherheit gestanden habe.

Für den Abendvortrag hatte Dieter Langewiesche die Aufgabe erhalten, darüber nachzudenken, wie eine Geschichte des "Liberalismus in Deutschland" künftig aussehen könne. Er musterte dafür die mehr als 200jährige Liberalismusgeschichte, indem er - den philosophischen Entwürfen von John Rawls und Martha Nussbaum folgend - nach der Verwirklichung der Wertideen eines umfassenden und eines politischen Liberalismus in der Geschichte fragte und die im Karlsruher Programm der FDP von 2012 genannten Traditionslinien verifizierte.

Frölich

Den Vormittag des zweiten Tages - die Moderation übernahm Jürgen Frölich - eröffnete ein Vortrag von Jens Hacke (Hamburg), der sich dem Thema "Liberalismusgeschichte als Ideengeschichte" widmete. Hacke betonte dabei besonders die Vitalität liberaler Gedanken in der Zwischenkriegszeit, die in ihrer Epoche, aber auch nach 1945 eine erstaunliche Ausstrahlungskraft besessen hätten.

Abschließend sprach Sylvia Heinemann (Berlin) über die Gender-Forschung und die Liberalismusgeschichte. Sie machte am Beispiel ihrer eigenen Studie über FDP-Politikerinnen die Probleme und Perspektiven dieses Forschungszweiges deutlich. Nach wie vor gebe es hier große Defizite in der Forschung, zumal lange Zeit die Relevanz des Themas in Zweifel gezogen worden sei.


htt/Teilnehmer/-innen

Die Tagung endete mit einer von Ewald Grothe moderierten Podiumsdiskussion, an der neben Jens Hacke und Dieter Langewiesche auch Agnes Bresselau von Bressensdorf (München) teilnahm, die vor kurzem ihre Promotion über die Außenpolitik Hans-Dietrich Genschers nach 1979 abgeschlossen hat. In der Diskussion wurden die Chancen der künftigen Liberalismus-Forschung deutlich benannt. Trotz der gegenwärtigen Krise des organisierten Liberalismus befinde man sich nicht in einer postliberalen Zeit. Weitere Tagungen des Archivs und eine Fortsetzung des "Jahrbuchs zur Liberalismus-Forschung" wurden ausdrücklich gewünscht.

Weitere Infos über #UniWuppertal: