Juniorprofessorin für historisch-komparative Wissenschafts- und Technikforschung

Jun.-Prof. Dr. Cécile Stephanie Stehrenberger

Juniorprofessorin für historisch-komparative Wissenschafts- und Technikforschung

Forschung

In Überschneidung von Wissenschaftsgeschichte und Soziologie behandeln meine aktuellen Forschungsprojekte die Geschichte der sozialwissenschaftlichen Katastrophenforschung im Kalten Krieg, die sozialwissenschaftlichen Beiträge zur COVID-19-Krise sowie Giftmülldeponien in Westafrika von den 1980er Jahren bis heute. Darüber hinaus beschäftige ich mich mit der (kolonialen) Wissenschafts-, Katastrophen- und Geschlechtergeschichte der spanischen Franco-Diktatur und Äquatorialguineas. Zu meinen Forschungsperspektiven und methodischen Zugängen gehören Ansätze der dekolonialen und feministischen Wissenschafts- und Technikforschung, Intersektionalitätstheorien sowie die Wissensproduktion und Vermittlung in Ausstellungen und Stadtrundgängen.

Habilitationsprojekt

Im Jahr 1949 entstand am National Opinion Research Center (NORC) in Chicago auf Initiative von Armeeoffizieren die "weltweit erste", so das Selbstverständnis, "social science disaster research". In zwei heißen Phasen des Kalten Krieges, 1952 und 1963, wurden am National Research Council (NRC), an mehreren Universitäten und am Disaster Research Center der Ohio State University (DRC) ähnliche Gruppen ins Leben gerufen. Sie waren zunächst multidisziplinär ausgerichtet, in den 1960er Jahren setzte sich aber eine soziologische Perspektive durch. Ihre Mitglieder, zu denen u.a. Enrico Quarantelli, Russell Dynes und William Anderson gehörten, führten mehrere hundert Feldstudien nach Erdbeben, Fabrikexplosionen, aber auch "racial riots" durch und simulierten "organizational stress" im Labor. Obwohl ihre Forschungsresultate bis heute über Disziplinen hinweg eine zentrale Referenz im Umgang mit Katastrophen darstellen, ist die Geschichte dieser Gruppen bislang kaum erforscht. Hier setzt mein Projekt ein. Seine übergreifenden Fragen lauten: Welche Interessen verbanden sich mit der sozialwissenschaftlichen Katastrophenforschung? Wie trieben die US-amerikanischen Gruppen deren Institutionalisierung als wissenschaftliches Feld voran? Welche Rolle spielten soziale Ungleichheiten und globale Kräfteverhältnisse in der Wissensproduktion? Wie wurden die erzielten Ergebnisse genutzt? Beantwortet werden diese Fragen anhand eines Quellenkorpus, der Publikationen und "interne Dokumente" der US-amerikanischen Katastrophenforscher_innen sowie wissenschaftliche und journalistische Arbeiten zu Katastrophen aus nicht-westlichen Kontexten, vor allem Mexiko und Indien, umfasst. Sein zeitlicher Rahmen wird durch die Jahre 1949, als die erste "disaster research group" gegründet wurde, und 1989 markiert, als der Kalte Krieg zum Erliegen kam. Die Arbeit verfolgt eine Provinzialisierung der Geschichte der sozialwissenschaftlichen Katastrophenforschung in den USA, welche diese auf ihre globalen Verflechtungen hin befragt. Gezeigt wird u.a., wie die wissenschaftlichen Praktiken der Katastrophenforschung mit Kalt-Kriegs-Rationalitäten des Regierens von Bevölkerungen interagierten, wie es in asymmetrischen Zirkulationen zu systematischen Verlusten von Wissen aus dem Globalen Süden kam und wie sich dies in der noch heute gängigen Definition von Katastrophen als disruptiven Ereignissen niederschlug.

Beteiligung an laufenden Kooperationsprojekten

Experiencias de lo político en la España del Franquismo, I+D HAR2017-82655-P (2018-2022)

UNED Centro de Estudios Afro-Hispánicos

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